2010/04/24

Das Innerste nach Außen 

Mit „Zeit des Zorns“ zerrt   Raffi Pitts den Hass in die Welt

 Ali legt sein Gewehr an und zielt. Der Lauf ist direkt auf den Zuschauer gerichtet. Er drückt den Abzug.

Der Schuss hallt durch die nebligen Wälder nördlich von Teheran und hinterlässt ein dumpfes Dröhnen, dass sich bis zum Ende des Films nicht mehr legen will. Ali ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden. Mit seiner Frau Sara (Mitra Hajjar) und einem kleinen Mädchen, lebt er in einem tristen Apartment im Schatten grauer Betonpfeiler. Wie Gedankenfetzen blitzen einige glückliche Familienerlebnisse auf, bis sein Zuhause eines Abends leer bleibt. Von da an entwickeln sich die Ereignisse so zwingend und mechanisch, wie die Nachtschichten, die Ali in einer Fabrik arbeitet. Nach stundenlangem Warten im Polizeirevier wird ihm mitgeteilt, dass er gekommen ist um die Leiche von Sara zu identifizieren, die am Rande einer Demonstration erschossen wurde. Er macht sich auf die Suche nach seiner Tochter, um auch sie schließlich im Neonlicht der Gerichtmedizin zu finden. In Anblick der gnadenlosen Tatsachen wird Ali zum Jäger, positioniert sich und erschießt zwei Polizisten. Bis dahin erzählt Raffi Pitts seine Geschichte mit einer eiskalten Bildgewalt, die die bedrückende Einsamkeit des Einzelnen  vor der  politischer Realität ins Bewusstsein des Zuschauers presst. Jede Einstellung wirkt wie eine komponierte Fotografie, in der die wortkargen Schauspieler als reine Statisten funktionieren. Der Britisch-Iraner, der spontan selbst die Hauptrolle übernehmen musste, inszeniert mit seinen puristischen Landschaften, die Innenwelt eines Charakters, dem er als Schauspieler keinen Ausdruck zu verleihen mag. Als Ali in die Wälder flieht, stellen ihn zwei Polizisten, zwischen denen ein Streit um Autorität und Verrat entbrennt. In der Intimität der Handlung verliert sich schließlich die Spannung des Films, der ansonsten eindrucksvoll beschreibt, wie unser Innerstes das Aussehen unser Welt bestimmt.  

In: ad rem  14/4/10

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